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Die zulässige Klage ist teilweise, nämlich im aus dem Tenor ersichtlichen Umfang, begründet.

Insoweit sind die angefochtenen Bescheide rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 Finanzgerichtsordnung – FGO –); im Übrigen sind sie rechtmäßig.

§ 2 Abs. 4 Satz 3 (i. V. m. § 20 Abs. 6 Satz 4) UmwStG gilt unabhängig von einer Missbrauchsabsicht auch bei Einbringungen (nachfolgend I.), jedoch nur für die KSt, nicht auch für die GewSt (nachfolgend II.) und nicht, soweit der Verlust des übernehmenden Rechtsträgers auf einem Investitionsabzugsbetrag beruht (nachfolgend III.). Der Rückwirkungszeitraum endet erst mit der Eintragung ins Handelsregister (nachfolgend IV.) Der Senat schätzt den Gewinn des eingebrachten Unternehmens im Rückwirkungszeitraum nur unwesentlich geringer als das FA (nachfolgend V.).

I.

Entgegen der Auffassung der Klägerin ist § 2 Abs. 4 Satz 3 UmwStG unabhängig von einer Missbrauchsabsicht anzuwenden.

1.

Die gesetzgeberische Intention kann aus der Begründung des Gesetzentwurfs des Bundesrats für ein Jahressteuergesetz 2013 vom 10.04.2013 entnommen werden, obwohl dieser Gesetzentwurf nicht Gesetz geworden ist.

a)

Der Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Entwurf eines Jahressteuergesetzes 2013 vom 25.05.2012 und die Beschlussempfehlung des Finanzausschusses vom 24.10.2012 enthielten die spätere Änderung noch nicht. Der Bundesrat stimmte dem Gesetzesbeschluss des Bundestages nicht zu. Die Bundesregierung rief den Vermittlungsausschuss an. Bei Anrufungen durch die Bundesregierung wird regelmäßig, anders als bei Anrufungen durch den Bundesrat, keine Begründung gegeben. Erstmals der Einigungsvorschlag des Vermittlungsausschusses zum Jahressteuergesetz 2013 vom 12.12.2012 (Druck-sache 17/11844 vom 13.12.2012) enthielt die Änderung des § 2 Abs. 3 UmwStG. Vorschläge des Vermittlungsausschusses enthalten ebenfalls keine Begründung. Der Vorschlag des Vermittlungsausschusses wurde aus Gründen, die nicht im Zusammenhang mit der hier fraglichen Änderung stehen (Erstreckung steuerlicher Regelungen von Ehegatten auf Lebenspartner), vom Bundestag am 17.01.2013 nicht angenommen.

b)

Der Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und der FDP zum Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Amtshilferichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften (Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz – AmtshilfeRLUmsG) vom 19.02.2013 enthielt die Änderung ebenfalls noch nicht. Durch die Beschlussempfehlung des Finanzausschusses vom 27.02.2013 (Drucksache 17/12532) wurde das Jahressteuergesetz 2013 in der Fassung des Beschlusses des Vermittlungsausschusses, soweit damals Konsens, in den Gesetzentwurf integriert, damit auch die hier relevante Änderung. Die Beschlussempfehlung führt dazu aus, im Vermittlungsverfahren seien Maßnahmen zur Missbrauchsbekämpfung einvernehmlich ergänzt worden. Als ein Spiegelstrich ist aufgeführt „Maßnahmen gegen die Monetarisierung von Verlusten (§ 2 Abs. 4 UmwStG)“.

Diese Beschlussempfehlung wurde letztlich, nach erneuter Anrufung des Vermittlungsausschusses, die jedoch für die hier fragliche Gesetzesänderung keine Änderung gegenüber der Beschlussempfehlung des Finanzausschusses mehr ergab, vom Bundestag am 06.06.2013 und vom Bundesrat am 07.06.2013 beschlossen.

c)

Zeitgleich beschloss der Bundesrat am 01.03.2013, möglicherweise ohne Kenntnis des Beschlusses des Finanzausschusses vom 27.02.2013, einen erneuten Gesetzentwurf eines Jahressteuergesetzes 2013 (Drucksache 17/13033 vom 10.04.2013), der ebenfalls das ursprüngliche Jahressteuergesetz 2013 in der Fassung des Vermittlungsausschusses, soweit Konsens, wieder in das Gesetzgebungsverfahren einbrachte, damit auch die hier relevante Änderung von § 2 Abs. 4 UmwStG. Zur Begründung heißt es dort (Drucksache 17/13033, Seite 90):

„Bei Verschmelzung einer Gewinngesellschaft auf eine Verlustgesellschaft geht ein steuerlicher Verlustvortrag der Verlustgesellschaft (= der übernehmende Rechtsträger) nicht unter. In jüngster Zeit sind Gestaltungen bekannt geworden, die u. a. von Banken modellhaft betrieben werden und diese Regelung ausnutzen. Ziel dieser Gestaltungen ist es, die Besteuerung von Gewinnen bei Gesellschaften mit hohen stillen Reserven durch die Verrechnung mit steuerlichen Verlusten einer anderen Gesellschaft zu vermeiden. Das Gestaltungsmodell nutzt insbesondere die Möglichkeit einer achtmonatigen steuerlichen Rückwirkung bei der Umwandlung oder Einbringung.

Um solche Gestaltungen und die damit verbundenen massiven Steuerausfälle zu vermeiden, wird beim übernehmenden Rechtsträger eine Verrechnung seiner Verluste mit positiven Einkünften des übertragenden Rechtsträgers steuerlich nicht mehr zugelassen. Der übernehmende Rechtsträger hat die ihm zuzurechnenden positiven Einkünfte zu versteuern. Ist übernehmender Rechtsträger eine Personengesellschaft, gilt dies auch für einen Ausgleich oder eine Verrechnung bei den Gesellschaftern entsprechend.

Sind übertragender Rechtsträger und übernehmender Rechtsträger vor Ablauf des steuerlichen Übertragungsstichtags verbundene Unternehmen im Sinne des § 271 HGB kommt die neue Verlustverrechnungsbeschränkung hingegen nicht zur Anwendung.“

Es ist davon auszugehen, dass dies die gesetzgeberische Intention der zustande gekommenen Gesetzesänderung ist, auch wenn der Gesetzesantrag, aus dem die Begründung stammt, nicht weiterverfolgt wurde, es sich aus dem Gesetzgebungsvorgang also nur mittelbar ergibt.

2.

Zwar liegt eine solche modellhafte Gestaltung bei der Entstehung der Klägerin sicher nicht vor.

Der Senat ist jedoch der Auffassung, dass die Verhinderung solcher Gestaltungen nur die gesetzgeberische Motivation für die Gesetzesänderung, nicht jedoch Tatbestandsmerkmal des Gesetzes ist, so dass das Gesetz entsprechend seinem Wortlaut auch Anwendung findet, wenn eine derartige Gestaltung nicht vorliegt.

a)

Dies entspricht auch der allgemeinen Auffassung im Schrifttum.

So führt van Lishaut in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 3. Aufl. 2019, § 2 UmwStG Rn. 198, aus, durch die Vorschrift drohten „Kollateralschäden“ für seriöse, nicht steuergestalterisch angelegte Fälle. Die Verlustverrechnung sei ausgeschlossen, auch wenn keine Steuergestaltung beabsichtigt sei.

Mückl (GmbH-Rundschau – GmbHR – 2013, 1084, 1085) stellt fest, dass gemessen am Gesetzeszweck der Gesetzeswortlaut eine weit überschießende Tendenz habe.

Vierbrock und Loose (Deutsches Steuerrecht – DStR –2013, 1364) meinen, der Wortlaut sei überschießend, in seinen Auswirkungen in der Praxis problematisch und führe zum Teil zu sinnwidrigen Ergebnissen.

Für eine teleologische Reduktion auf Missbrauchsfälle tritt jedoch, soweit ersichtlich, niemand im Schrifttum ein.

b)

Gegen eine solche teleologische Reduktion spricht insbesondere, dass solche Missbrauchsfälle praktisch kaum abgrenzbar wären und dass eine solche Beschränkung wieder zu neuen Umgehungskonstruktionen führen würde.

3.

a)

Entgegen der Ansicht der Klägerin gilt die Vorschrift nicht nur für Umwandlungsvorgänge, bei denen beide Rechtsträger schon vor dem Vorgang existieren, sondern auch für Umwandlungsvorgänge, bei denen der übernehmende Rechtsträger durch die Umwandlung erst geschaffen wird. Dies folgt aus der Verweisungstechnik des UmwStG und auch aus der Gesetzesbegründung, die (s. o.) allgemein von der „Möglichkeit einer achtmonatigen Rückwirkung bei der Umwandlung oder Einbringung“ spricht.

Eine (nur) formwechselnde Umwandlung, bei der insgesamt nur ein Rechtsträger vorliegt, der lediglich seine Rechtsform ändert, liegt entgegen der Ansicht der Klägerin im Übrigen nicht vor. Die natürliche Person B… existiert auch noch nach der Umwandlung. Es wurden (nur) bestimmte Vermögensgegenstände (nämlich die zum Gewerbebetrieb gehörenden Wirtschaftsgüter) vom Vermögen der natürlichen Person abgespalten. Die natürliche Person hat dadurch nicht aufgehört zu existieren und ist weiterhin Inhaberin ihres Privatvermögens, unbeschadet des Umstandes, dass aus Sicht des Klägervertreters bei rein wirtschaftlicher Betrachtungsweise das Unternehmen seine Rechtsform geändert haben mag vom Einzelkaufmann zur GmbH.

b)

In diesem Zusammenhang geht die Klägerin auch fehlt in der Ansicht, Gewinne des übertragenden Rechtsträgers im Rückwirkungszeitraum dürften mit Verlusten des übernehmenden Rechtsträgers ebenfalls nur im Rückwirkungszeitraum nicht ausgeglichen werden, während der Ausgleich mit Verlusten des übernehmenden Rechtsträgers aus dem verbleibenden Rest des Wirtschaftsjahres nach dem Rückwirkungszeitraum möglich sei.

Denn § 20 UmwStG, und damit die Verweisung in § 20 Abs. 6 Satz 3 UmwStG, gilt gemäß § 20 Abs. 1 UmwStG für alle Einbringungsvorgänge in Kapitalgesellschaften. Es kommt daher nicht darauf an, ob die Aufspaltung, Abspaltung oder Ausgliederung zur Aufnahme oder zur Neugründung erfolgt. Bei Spaltungen zur Aufnahme, bei der die übernehmende Kapitalgesellschaft bereits existiert, ergibt sich aus § 2 Abs. 4 Satz 3 UmwStG eine Differenzierung nach dem Verlustentstehungszeitpunkt, vor oder nach dem Ende des Rückwirkungszeitraums, in keiner Weise aus dem Gesetzeswortlaut und wird auch in der Literatur von niemandem diskutiert oder auch nur in Betracht gezogen. Wenn aber bei Einbringungen im Rahmen von Aufnahmen in bestehende Kapitalgesellschaften keine Differenzierung nach dem Verlustentstehungszeitpunkt beim übernehmenden Rechtsträger erfolgt, kann eine solche Differenzierung auch bei Einbringungen zur Neugründung nicht erfolgen (im Ergebnis möglicherweise – unklar – anderer Ansicht Hörtnagl in Schmitt/Hörtnagl, UmwStG, 9. Aufl. 2020, § 2 Rn. 164).

4.

Verfassungsrechtliche Bedenken bestehen nicht.

Zwar stellt die Verlustausgleichsbeschränkung in § 2 Abs. 4 UmwStG bei gewöhnlichen Einbringungsfällen ohne Missbrauchsabsicht einen Eingriff in den Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit (Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz – GG –) dar. Dieser ist jedoch gerechtfertigt.

Dabei ist v. a. zu berücksichtigen, dass die Verlustausgleichsbeschränkung im Jahr der Einbringung nicht zu einem endgültigen Wegfall der Verlustnutzung führt, sondern nur zu einer Verlagerung (Verlustvortrag), d. h. der Verlust kann bei Gewinn in der folgenden Periode steuermindernd genutzt werden (Hörtnagl in Schmitt/Hörtnagl, UmwStG, 9. Aufl. 2020, § 2 Rn. 171: Verrechnungsverbot „mit temporärem Charakter“). Ebenfalls nicht ausgeschlossen ist bei Verlust in der folgenden Periode der Verlustrücktrag in das Jahr der Einbringung (allgemeine Meinung im Schrifttum). Damit ist die Regelung weit weniger eingreifend als andere missbrauchsverhindernde Regelungen, die zum endgültigen Wegfall der steuerlichen Wirkung eines Verlusts führen.

Vor diesem Hintergrund rechtfertigt die gesetzgeberische Intention, Missbrauchsgestaltungen zu vermeiden, auch nicht vermeidbare (Neben-)Wirkungen bei nicht steuergestalterisch angelegten Fällen. Die Missbrauchsverhinderung wäre anderweitig nicht gleichermaßen effektiv zu verwirklichen.

II.

Entgegen der Ansicht des FA findet die Regelung des § 2 Abs. 4 Satz 3 UmwStG nur bei der (Einkommen- und) Körperschaftsteuer, jedoch nicht auch bei der Gewerbesteuer Anwendung.

1.

Zweifel entstehen durch die Begrifflichkeiten. Denn bei der GewSt verwendet § 10a GewStG die Begriffe „Gewerbeertrag“, „Gewerbeverlust“ und „vortragsfähiger Fehlbetrag“, hingegen spricht § 2 Abs. 4 Satz 3 UmwStG von „positiven Einkünften“, „negativen Einkünften“ und „verbleibenden Verlustvorträgen“, was dahin verstanden werden kann, dass § 2 Abs. 4 Satz 3 UmwStG bei der GewSt nicht anwendbar ist. Ggf. wäre die Anwendung bei der GewSt eine (nur) entsprechende (analoge) Anwendung.

2.

Die Auffassungen im Schrifttum sind geteilt.

Behrend/Klages (Betriebs-Berater – BB – 2013, 1815, 1820) halten es für überzeugender, dass es sich bei § 2 Abs. 4 UmwStG um eine spezielle einkommensteuerliche bzw. körperschaftsteuerliche Verlustnutzungsbeschränkungsnorm handelt, wie z. B. § 15a EStG oder § 15 Abs. 4 EStG, beklagen jedoch die erhebliche Rechtsunsicherheit in diesem Zusammenhang.

Viebrock/Loose (DStR 013, 1364, 1367) lehnen die Erstreckung auf die GewSt eben-
falls ab und führen aus, es hätte dazu einer ausdrücklichen Regelung bedurft. § 7 Satz 1 GewStG sei nicht ausreichend.

Auch Dodenhoff (Finanz-Rundschau – FR – 2014, 687) verweist primär auf die unterschiedliche Begrifflichkeit. Ergänzend führt er aus, § 7 Satz 1 GewStG verweise nur auf das EStG und das KStG und damit nicht auf das UmwStG, so dass dessen Regelungen bei der Gewerbesteuer nur gelten würden, soweit dort jeweils eine ausdrückliche Verweisung enthalten sei, wie etwa bei §§ 18, 19 UmwStG.

Ebenfalls gegen eine Anwendung bei der GewSt sprechen sich Mückl in Dürrschmidt/Mückl/ Weggenmann, BeckOK UmwStG Stand 01.08.2020, § 2 Rn. 1623, und Hörtnagl in Schmitt/Hörtnagl, UmwStG, 9. Aufl. 2020, § 2 Rn. 164, aus.

Schließlich lehnt auch Klingberg in Blümich, EStG KStG GewStG, § 2 UmwStG 2006 Rn. 87a Stand Juni 2020, die Erstreckung auf die GewSt ab unter Verweis auf den Wortlaut und die ausdrückliche Einbeziehung der GewSt in § 2 Abs. 1 UmwStG und die nur teilweise Einbeziehung des UmwStG bei der GewSt in §§ 18, 19 UmwStG.

Hingegen wird die Anwendung befürwortet von van Lishaut in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 3. Aufl. 2019, § 2 UmwStG Rn. 185, der laufende Gewerbeverluste als Unterform der „negativen Einkünfte“ versteht.

Ähnlich befürworten Melan/Wecke (Der Betrieb – DB – 2014, 1447) die Anwendung bei der Gewerbesteuer unter Verweis auf § 7 Satz 1 GewSt, denn sie verstehen die Vorschriften des UmwStG als Gewinnermittlungsvorschriften für die ESt und KSt.

Speziell für die Verrechnung operativer Gewinne und Verluste ohne Begründung bejahend auch Widmann in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, § 2 UmwStG SEStEG, Rn. 164 (Stand August 2013).

3.

Der Senat lehnt die Erstreckung des § 2 Abs. 4 Satz 3 UmwStG auf die GewSt ab.
Entscheidend sind die Unterschiede im Wortlaut, insbesondere die ausdrückliche Einbeziehung der GewSt ganz oder teilweise in § 2 Abs. 1 Satz 2 UmwStG und §§ 18, 19 UmwStG, dazu kontrastierend das Schweigen des Gesetzes zur GewSt in § 2 Abs. 4 UmwStG. Die GewSt folgt einem eigenen Berechnungssystem (§§ 7 bis 10a GewStG) und wird grundsätzlich ohne rechtliche Bindung an die (ESt- bzw.) KSt-Veranlagung ermittelt. Eine automatische Erstreckung der für die ESt und KSt im UmwStG gegebenen Vorschriften auf die GewSt ist daher nicht geboten.

III.

Entgegen der Auffassung des FA sind die (negativen) Einkünfte auf Seite des übernehmenden Rechtsträgers für die Anwendung von § 2 Abs. 4 Satz 3 UmwStG ohne Berücksichtigung eines im Veranlagungsjahr der Übernahme vom übernehmenden Rechtsträger beantragten Investitionsabzugsbetrages (§ 7g EStG) zu bestimmen.

1.

Die folgt im Wege einer teleologischen Reduktion aus dem Sinn und Zweck von § 2 Abs. 4 Satz 3 UmwStG einerseits und § 7g EStG andererseits.

a)

Würden Investitionsabzugsbeträge nicht aus der Berechnung im Rahmen des Verlustverrechnungsverbots gemäß § 2 Abs. 4 Satz 3 UmwStG ausgenommen, hätten sie ggf. nicht den gewünschten Effekt. § 7g EStG dient der Verbesserung der Liquidität und Eigen-kapitalausstattung kleinerer und mittlerer Unternehmen (Kulosa in Schmidt, EStG, 39. Aufl. 2020, § 7g Rn. 1 mit zahlreichen Nachweisen zu den Gesetzesmaterialien).

Eine – vom Wortlaut des § 2 Abs. 4 Satz 3 UmwStG gedeckte – Berücksichtigung auch der Investitionsabzugsbeträge bei der nach § 2 Abs. 4 Satz 3 UmwStG anzustellenden Berechnung würde jedoch dazu führen, dass die Geltendmachung des Investitionsabzugsbetrages nicht zu einem geringeren zu versteuernden Einkommen (bzw. Gewerbeertrag) führt und damit zu dem vom Gesetzgeber angestrebten Liquiditätsvorteil durch geringere Steuern, sondern nur zu einem (höheren) Verlustvortrag bei bestehenbleibender Steuerschuld, wie gerade der hiesige Fall zeigt. Dies wäre, auch in Anbetracht der möglichen Folgen bei Ausbleiben der Investition, aber widersinnig. Der Sinn und Zweck von § 2 Abs. 4 Satz 3 UmwStG gebietet auch nicht die Mitberücksichtigung des Investitionsabzugsbetrages. Die Vorschrift will die Ausnutzung von Verlusten bei der Hebung stiller Reserven bekämpfen, nicht die erstrebte Wirkung von § 7g EStG konterkarieren.

b)

Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass es in der Entscheidung des Steuerpflichtigen steht, ob und in welcher Höhe er einen möglichen Investitionsabzugsbetrag geltend machen will und dass die Entscheidung bis zur Bestandskraft der Bescheide änderbar ist. Denn im Laufe einer Veranlagung können vielfältige Änderungen, etwa durch anderweitige gesonderte Feststellungen, eintreten, und der Steuerpflichtige kann das Ergebnis eines Rechtsbehelfs- oder Klageverfahrens oft auch nicht sicher vorhersehen.

2.

Das Zwischenergebnis der Einkünfte vor Anwendung des § 2 Abs. 4 Satz 3 UmwStG ist daher nicht mit 14.105 €, sondern ohne Berücksichtigung des Investitionsabzugsbetrags von 88.000 € mit 102.105 € zugrunde zu legen.

IV.

Den Rückwirkungszeitraum hat das FA zuletzt zutreffend bis zur Eintragung in das Handelsregister angenommen.

1.

Der Rückwirkungszeitraum beginnt mit Ablauf des steuerlichen Übertragungsstichtages und endet mit Ablauf des Tages der Eintragung in das Handelsregister (Behrendt/Klages, BB 2013, 1815, 1821).

Das Ende hängt daher von der Arbeit des Registergerichts, insbesondere dessen Schnelligkeit und etwaigen Beanstandungen, ab, damit von Zufälligkeiten, auf die der Steuerpflichtige keinen Einfluss hat.

2.

Im Schrifttum wird daher vereinzelt vertreten, im Wege der teleologischen Reduktion solle der Rückwirkungszeitraum i. S. v. § 2 Abs. 4 Satz 3 UmwStG bereits mit dem Umwandlungsbeschluss enden (Mückl, GmbHR 2013, 1084, 1088; derselbe in Dürrschmidt/Mückl/ Weggenmann, BeckOK UmwStG, Stand 01.08.2020, § 2 Rn. 1655-1668 unter Hinweis darauf, dass der Rückwirkungszeitraum länger als acht Monate sein kann, da sich diese Frist nur auf die Zeit zwischen dem steuerlichen Übertragungsstichtag und der Anmeldung in das Handelsregister bezieht, nicht aber auf die Eintragung, der Rückwirkungszeitraum damit sogar über den nächsten Bilanzstichtag hinausreichen kann).

3.

Der Senat hält eine solche Auslegung nicht für geboten, zumal damit die Verzahnung zwischen Umwandlungsrecht und Umwandlungssteuerrecht ohne zwingende Notwendigkeit aufgegeben werden würde. Im Übrigen handelt es sich bei der Rückwirkung um ein Wahlrecht des Steuerpflichtigen, so dass es an diesem selbst liegt, für eintragungsfähige Registeranträge zu sorgen und die maximale Frist ggf. nicht voll auszunutzen.

4.

Das FA hat daher zurecht die (positiven) Einkünfte des e.K. gerade bis zum 21.08.2017 (Tag der Eintragung) bestimmt.

V.

1.

Der Berechnungsmechanismus des § 2 Abs. 4 Satz 3 UmwStG erfordert im Ergebnis die Erstellung einer (steuerlichen Schluss-)Bilanz auf den Zeitpunkt des Endes des Rückwirkungszeitraums (im Schrifttum teilweise „RWZ-Bilanz“ genannt), also auf den Tag der Eintragung ins Handelsregister, von der der Steuerpflichtige meist erst Tage später erfährt, so dass der genaue Tag aus Sicht des Steuerpflichtigen Zufall ist, er sich (z. B. zwecks Inventur) nicht genau darauf vorbereiten kann.

Diese Rechtsfolge wird im Schrifttum einhellig so gesehen und zugleich kritisiert. Denn der Zweck der vom Gesetzgeber ermöglichten Rückwirkungsfiktion in § 2 Abs. 1 UmwStG besteht nicht zuletzt darin, Umwandlungen dadurch zu erleichtern, dass aufwändige unterjährige Zwischenbilanzen nicht erforderlich sind.

Immer dann, wenn der Steuerpflichtige nicht von vornherein sicher ausschließen kann, dass sich im Jahr der Umwandlung beim übertragenden Rechtsträger ein Gewinn, beim übernehmenden aber ein Verlust ergibt, müsste er eigentlich zumindest vorsorglich eine RWZ-Bilanz erstellen. Dabei ist mit zu bedenken, dass die Unternehmensentwicklung nach der Umwandlung oft nicht sicher prognostizierbar ist, es können im verbleibenden Wirtschaftsjahr unerwartete Verluste auftreten.

§ 2 Abs. 4 Satz 3 UmwStG hat daher nicht nur – u. U. nach seinem Zweck überschießende – Auswirkungen auf die Steuerlast, sondern bewirkt fast immer administrativen Mehraufwand.

2.

Mangels Vorlage einer RWZ-Bilanz sind im hiesigen Fall die positiven Einkünfte des übertragenden Rechtsträgers im Rückwirkungszeitraum, hier also des e.K. bis 21.08.2017, zu schätzen.

3.

Der Senat schließt sich der vom FA angewandten Methode (Herleitung aus betriebswirtschaftlichen Auswertungen) grundsätzlich an. Substantiell andere Methoden sind weder von der Klägerin vorgebracht worden noch ersichtlich.

4.

Der Senat hätte eine genauere Schätzung darin gesehen, ausgehend von den betriebswirtschaftlichen Auswertungen zu Ende Juli und Ende August den Gewinn bis Ende Juli ganz und den Gewinn des Monats August zu 21/30 anzusetzen.

Die Klägerin hat jedoch nur die betriebswirtschaftlichen Auswertungen von Januar bis Juni vorgelegt, trotz Aufforderung nicht die für Juli bis Dezember, so dass nur die ungenauere Schätzung mit 232/181 des Gewinns bis Ende Juni, wie vom FA vorgenommen, möglich ist.

5.

Das FA hat auch, entgegen der Auffassung der Klägerin, zurecht den vorläufigen Gewinn vor Ertragssteuern, nicht nach Ertragssteuern, zugrunde gelegt.

Der Senat geht davon aus, dass in der Buchführung des e.K. etwaige Einkommensteuer als Privatentnahme verbucht worden wäre, so dass Ertragssteuern beim Einzelkaufmann nur Gewerbesteuerzahlungen sein können. Da diese gemäß § 4 Abs. 5b EStG eine nicht abzugsfähige Betriebsausgabe darstellen, hat das FA bei der Schätzung der positiven Einkünfte zurecht den Betrag vor Ertragssteuern aus der betriebswirtschaftlichen Auswertung zugrunde gelegt.

6.

Der Senat stimmt der Klägerin grundsätzlich zu, dass Betriebsausgaben, die üblicherweise erst gegen Ende des Jahres anfallen, jedoch betriebswirtschaftlich das ganze Jahr betreffen, oder die üblicherweise erst im Rahmen der Erstellung des Jahresabschlusses berücksichtigt werden (z. B. AfA), im Rahmen der Schätzung die Einkünfte des übertragenden Rechtsträgers mindernd zu berücksichtigen sind.

a)

Allerdings genügen dafür globale, gegriffene, schon der Größenordnung nach nicht nachvollziehbare Beträge nicht.

b)

Der Senat mindert bei der Schätzung um folgende Beträge:

aa)

Die Bilanzposition „Verbindlichkeiten aus Lohn und Gehalt“ betrug bereits in der Eröffnungsbilanz auf den 02.01.2017 5.449,26 €, in der Schlussbilanz zum 31.12.2017 waren 8.807,37 € passiviert. Gewinnwirksam im Jahr 2017 war daher die Erhöhung in Höhe von 3.358,11 €. Dieser Betrag kann anteilig auf die Zeit bis 21.08.2017 geschätzt werden (232/365), mithin 2.134 €. Weitere Positionen sind, soweit die Klägerin Ansprüche für nicht genommenen Urlaub geltend macht, nicht erkennbar.

bb)

Jahresabschlusskosten sind in der Eröffnungsbilanz mit 3.500 €, in der Schlussbilanz mit 4.000 € passiviert. Die Erhöhung von 500 € kann anteilig auf die Zeit bis 21.08.2017 verteilt werden (232/365), also 318 €.

cc)

Insgesamt ergibt sich eine Minderung um 2.452 € gegenüber der Schätzung des FA von 111.910 €, mithin 109.458 €.

c)

Für weitere schätzweise Minderungen sieht der Senat keine genügenden tatsächlichen Anhaltspunkte.

aa)

Soweit die Klägerin Kosten für Gewährleistungsansprüche geltend macht, ist nicht ersichtlich, auf welchen Passivposten in der Bilanz auf den 31.12.2017 sich dies bezieht. Eine Rückstellung, die, ggf. teilweise, schon am 21.08.2017 zu bilden gewesen wäre, ist nicht ersichtlich.

bb)

Die Klägerin hat ferner anteilige Urlaubs- und Weihnachtsgelder geltend gemacht.

Die Urlaubsgelder werden in der Regel im Juni oder Juli ausgezahlt. Es ist daher nicht dargetan, dass solche nicht schon in der betriebswirtschaftlichen Auswertung zu Ende Juni berücksichtigt sind. Die Auswertung zu Ende Juli wurde nicht vorgelegt.

Weihnachtsgelder werden meist im November oder im Dezember ausgezahlt, je nach Praxis des jeweiligen Betriebes. Mangels Vorlage der betriebswirtschaftlichen Auswertungen für November und Dezember können diese jedoch nicht abgeschätzt werden.

Dem Gesellschafter-Geschäftsführer steht im Übrigen laut Arbeitsvertrag kein Weihnachtsgeld zu.

cc)

Aufbewahrungskosten für die Finanz- und Lohnbuchhaltung sind als Rückstellung in der Eröffnungsbilanz zum 02.01.2017 und in der Schlussbilanz zum 31.12.2017 gleichermaßen mit 4.000 € als Rückstellung passiviert und daher ohne Gewinnauswirkung, so dass auch nichts auf die Zeit bis zum 21.08.2017 verteilt werden kann.

dd)

Die globale Schätzung der Klägerin von anteiligen Kosten Im Rückwirkungszeitraum in Höhe von 7.302 € kann nicht nachvollzogen werden.

VI.

Damit ergibt sich folgende Berechnung:

Positive Einkünften im Rückwirkungszeitraum (des übertragenden Rechtsträgers, des e.K.): 109.458 € (oben V.6.b.cc);

positive Einkünften im gesamten Veranlagungszeitraum im Sinne von § 2 Abs. 4 Satz 3 UmwStG: 102.105 € (oben III.2.);

(nicht ausgeglichene) negative Einkünften des übernehmenden Rechtsträgers (GmbH) mithin: 7.353 €;

Hinzurechnung bisher: 97.805 €;

Differenz: 90.452 €.

VII.

1.

Die Einstellung des Verfahrens betreffend die GewSt infolge Rücknahme fußt auf § 72 Abs. 2 Satz 2 FGO.

2.

Der Senat überträgt die Berechnung der Steuer und des Messbetrages gemäß § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO dem FA.

3.

Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung, § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, zugelassen.

Zur Auslegung und Anwendung des § 2 Abs. 4 Satz 3 UmwStG sind viele Fragen noch nicht höchstrichterlich geklärt, aber praxisrelevant. Insbesondere klärungsbedürftig erscheinen die grundsätzliche Anwendbarkeit der Regelung auf nicht steuergestalterisch angelegte Fälle, die Anwendbarkeit auch bei der Gewerbesteuer sowie die Auswirkung eines Investitionsabzugsbetrages im Rahmen der Berechnung.

4.

a)

Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO und entspricht den Anteilen von Obsiegen und Unterliegen. Dabei wurde die Klagerücknahme hinsichtlich der GewSt nicht berücksichtigt, da der Senat auch eine Klarstellung dahingehend, dass die GewSt von Anfang an nicht Gegenstand der Klage gewesen sein sollte, akzeptiert hätte.

b)

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 151 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung - ZPO -.

5.

Der Senat entscheidet ohne mündliche Verhandlung gemäß § 90 Abs. 2 FGO aufgrund des Verzichts der Beteiligten.

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Author: Foster Heidenreich CPA

Last Updated: 28/06/2023

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